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Die Wand und Schwarze Spiegel

Wand und Spiegel

Sowohl Schwarze Spiegel als auch Die Wand behandeln eine menschenleere Einoede, in der die ProtagonistInnen sich durchschlagen muessen; beide haben Munition und das Wissen, aus der umgebenden Natur Nutzen zu ziehen, allerdings findet Arno Schmidt (denn der Ich-Erzaehler ist unschwer als Alter Ego des Autors zu erkennen) Zivilisationsreste vor, die ihm das Ueberleben sichern: er findet nicht nur Zeit, sich eine Holzhuette zu bauen mit den Werkzeugen aus einem Saegewerk, sondern schreibt aus lauter Uebermut noch posthume LeserInnenbriefe an pseudowissenschaftliche AutorInnen und sucht sich in der Universitaetsbibliothek Material fuer ein biographisches Werk.

Ganz im Gegensatz dazu stehen die baeuerlichen Ambitionen bei Marlen Haushofer, deren Heldin aus Not, um nicht zu verhungern, das Feld bestellen und Tiere halten muss, daraus aber scheinbar durchaus ebenfalls Genugtuung bezieht. Wie in ihren Kinderbuechern ist auch hier der BaeuerInnenhof ein Zufluchtsort, eine heile Welt, die neben Nahrung auch Geborgenheit und Lebenskraft spendet.

Spoiler

Eine grundlegende Wende ergibt sich bei beiden Buechern durch das Auftauchen einer weiteren Person, die urspruenglich jeweils eine Gefahr darstellt. Arno Schmidts Protagonist ueberlebt den ersten Angriff durch Zufall und gewinnt natuerlich die Oberhand, aus dem Intermezzo ergibt sich jedoch fuer ihn eine weitere interessante, wenn auch melancholische Facette der postinfernalen Welt.

Die Begegnung bei Marlen Haushofer verlaeuft bekanntlich weniger harmonisch, die angreifende Person ist zwar nicht mit einer Schusswaffe ausgestattet, braucht aber auch keine, um ihr zerstoererisches Werk zu verrichten. Die Hauptperson ist gebrochen, verlaesst ihren &Hof& und zieht sich zurueck, um das Ende der Welt schriftlich festzuhalten.

Beiden gemein ist jedenfalls die Kulturkritik, die unbedingte Gewissheit, dass Probleme geloest werden koennen und muessen. Hier hoert aber die Gemeinsamkeit auf: der von seinem nicht immer sproeden Charme ueberzeugte Mann macht sich erfolgreich die Erde untertan, oder zumindest das Stueck, das er sich ausgesucht hat; die Frau gibt nach einem langen Kampf ums Ueberleben in der kargen Bergwelt auf und zieht sich noch weiter zurueck.

Zwar enden beide Geschichten mit der literarischen Hoffnung auf die kritische Nachwelt, doch hier schliesst bei Haushofer die erzaehlte Geschichte mit dem letzten Blatt: in der Zukunft liegt nur noch das Leben, das nicht mehr beschreibbar ist. Schmidt dagegen kehrt zu seinen literarischen und hochschwingengen technischen Ambitionen zurueck (soziologische Probleme mit technischen Mitteln, you know), bei ihm ist keine Veraenderung merkbar. (S. 137 "Also niemals fuer Leser? Nie irgendeine propagandistische oder 'sittliche' Aufgabe gefuehlt?")

Die Geschlechterbilder sind bei beiden offenbar festgefahren: die feinen Jagdpaechter mit ihren derben Sitten koennen jederzeit in dem spaeteren Amoklaeufer wiedergefunden werden (S. 224, "vielleicht war er ein Jagdpaecher ..."), die Protagonistin ist mehr als auf sich alleine gestellt. In den Schwarzen Spiegeln trifft der Ueberlebende auf eine ebenbuertige Widersacherin, der unvermeidlichen Romanze folgt der ebensolche Abschied, damit aber auch die Fortsetzung des urspruenglichen Status und die vergroesserte Hoffnung auf kuenftige Abwechslung.

Die Werke unterscheiden sich natuerlich in vielem, besonders verwunderlich erscheint mir aber die grosse Hoffnung, die von dem noch in der Nachkriegszeit erschienenen Werk Schmidts ausgeht, wohingegen das 20 Jahre darauf erschienene Spaetwerk Haushofers eher pessimistische Anklaenge evoziert; mir scheinen damit beide zum Teil im Widerspruch zum Zeitgeist gestanden zu haben, denn publiziert wurden Schmidts schwarze Spiegel erst zu Beginn des Marshall-Plans, wohingegen die spaeten 60er, als Die Wand erschien, ja eher den Baby-BoomerInnen zuzurechnen ist; als Loesung muss wohl die jeweilige Einstellung der AutorInnen gesehen werden: Schmidt war immer Optimist, Besserwisser, Gelehrter; Haushofer praesentierte die Notwendigkeit und Problematik (weiblicher) Selbstbestimmung wie kaum eine andere, und Ende der Sechziger Jahre hatte sie diesbezueglich wohl keinerlei Hoffnung geschoepft.

An dieser Stelle sei uebrigens auf die neuentdeckte Hannelore Valencak hingewiesen, deren Buch Das Fenster zum Sommer von 1977 kuerzlich neu aufgelegt wurde.